Im dritten Teil seines Berichts aus der Krieggefangenschaft beschreibt Eugen Antoni seine Zeit im Lager Foucarville in der Normandie. Foucarville liegt ganz in der Nähe von "Utah-Beach", dem Küstenabschnitt, von wo die Invasion der Allierten am "D-Day" ihren Ausgang nahm. In dem Lager, auch "Continental Central Enclosure n°19" genannt, hielten sich zeitweise 40 000 Gefangene auf, die in sogenannten "cages", untergebracht waren, inklusive 216 Generälen und 6 Admirälen. Es war wie eine kleine Stadt und verfügte sogar über eine Schmalspureisenbahn für die Verteilung der Verpflegung und über Elektrizität lange bevor die umliegenden Dörfer an die Stromversorgung angeschlossen wurden; es hatte außerdem ein Theater und ein Hospital mit 1000 Betten sowie zu einem Zeitpunkt, der nach dem vorliegenden Bericht liegen muss, auch mehrere Kapellen. Die Gefangenen wurden außer für lagerinterne Aufgaben für die Minenräumung und für Wiederaufbauarbeiten der zerstörten Normandie eingesetzt. Die letzten wurden 1948 entlassen
"Im neuen Lager F o u c a r v i l l e am Meeresufer der
Normandie wandte sich Gott sei Dank! manches zum Bessern. Vor allem fanden wir
hier bei den großen Sonntagsgottesdiensten auf dem Sportplatz einige
hundert Pfälzer Landsleute, darunter
viele alte Bekannte. Bald hatten wir auch festgestellt, dass der Bauleiter des
Lagers aus Kaiserslautern stammte und durch sein großes Ansehen bei der
amerikanischen Lagerverwaltung einen „langen Arm“ besass. Den benutzte er auch
kräftig dazu, Pfälzer Landsleuten zu begehrten Posten zu verhelfen. Bald war
der und jener Kamerad in einem Baukommando untergebracht, fuhr auf der
Lagerbahn oder arbeitete für die Lagerzeitung. Alle bekamen als „Worker“ eine
bessere Verpflegung und Unterkunft und sorgten ihrerseits wieder dafür, dass
jeder freiwerdende Posten in ihrer Umgebung nur durch einen Pfälzer besetzt
wurde. Selbst in so begehrte Stellen wie Lagerbäckerei, Verpflegungsmagazin
oder gar eine amerikanische Offiziersküche brachten wir schliesslich Pfälzer
hinein. Sie versorgten getreulich jene vom Glück weniger begünstigten
Kameraden, die keinen gehobenen Posten bekommen konnten mit all den guten
Dingen, die ihnen reichlich zur Verfügung standen.
Lagerplan** |
Die Lagerbäckerei, die täglich 20 000 Brote buk** |
Später kamen dazu einige Gesangbücher des Bistums Basel und
kleine, deutsche Sonntagsmessbüchlein
aus amerikanischem Ordensverlag. Klafft hier nicht eine bedauerliche Lücke in
der katholischen Gefangenenhilfe? Wie mancher, der sich in den letzten Jahren
vom Glauben abwandte, ist durch die seelischen Erschütterungen des
Zusammenbruchs wieder aufnahmebereit geworden für religiöse Gedanken. Klug
ausgewählte Bücher würden in den Kriegsgefangenenlagern manchen Suchenden zum Glauben seiner Kindheit
zurückführen. Niemehr werden Männer aller Altersstufen so viel Zeit zum Lesen
haben und so aufnahmebereit auch für ernste Lektüre sein wie in den Monaten, ja
vielleicht noch Jahren hinterm Stacheldraht.
Die amerikanische Lagerleitung, in der je ein protest. und
ein kath. Feldkaplan einen grossen Einfluss besassen, sorgte sich schliesslich
wenigstens um die geistige Betreuung der
17 000 deutschen Jugendlichen unter achzehn Jahren, die in eigenen „Baby Cages“
untergebracht waren. Für sie wurde eine Art Berufsfortbildungsschule unter dem
stolzen Titel „P.W. University“ eingerichtet*. Gleich von Anfang an waren wir
Pfälzer in deren „Lehrkörper“ sehr gut
vertreten, und bald wurde das Pfälzer Zelt im landschaftlich schönen Lehrercage
an den Abenden und Sonntagnachmittagen ein Treffpunkt vieler Landsleute. Wie liebevoll wurde hier gegenseitge Hilfe
ausgetauscht! Wie grossartig jeder Geburtstag gefeiert! Achtundsiebzig
Gratulanten stellten sich an diesem Tage bei mir ein und verscheuchten durch
ihr ständiges Kommen und Gehen vom frühen Morgen bis zum späten Abend das
zehrende Heimweh, das an allen Familienfesttagen in der Gefangenschaft sonst
ganz besonders bitter brennt. Jeder Besucher brachte neben guten Wünschen und
einem hoffnungsvollen Zuspruch trotz seiner eigenen Armut ein meist mühsam
beschafftes Geschenk mit. Neben manchem wertvollen Kunstwerk, das emsiger
Fleiss geschickter Bastler geschaffen, erfreute auch der einfache
Feldblumenstrauss oder die durch Wochen gesammelten Zigarettenstummel als Futter
für die ewig hungrige Pfeife.
Die Kirche von Foucarville |
Kirche der Wallfahrtsstätte Maria Rosenberg bei Waldfischbach-Burgalben. Aufnahme aus den 1940er Jahren |
*Solche "Lager-Unis" hat es mehrere gegeben. Sie waren natürlich vor allem der Umerziehung gewidmet, jedoch konnten dort auch berufliche und akademische Abschlüsse erworben werden. In Foucarville wurden Englisch, Französisch, Mathematik, Landwirtschaft, handwerkliche Fertigkeiten und Theologie unterrichtet. Ein eindrucksvolles Zeugnis des Theologiestudiums in Kriegsgefangenenlagern auf französischem Boden gibt das Buch von Walter Ohler: "Der Herr hat uns hierhergebracht..." Gefangenschaft und Theologiestudium in den französischen Lagern Chartres und Montpellier 1945-1947. (1999 herausgegeben von Christophe Baginski und Christine Lauer im Knecht Verlag, Landau).
Mehr zum Theologiestudium in Kriegsgefangenenlagern hier und hier.
** Mehr Bilder und Informationen über das Lager Foucarville sind hier zu finden.
Ein sehr informativer und berührender Bericht. Vielen Dank dafür. Auch mein Großvater war in französischer Gefangenschaft, aber er hat mit uns Kindern nie darüber gesprochen.
AntwortenLöschenUnser Großvater konnte auch nicht mit uns sprechen, denn als wir geboren wurden, lebte er nicht mehr (s. die anderen Einträge über ihn). Sehr schade. Aber unsere Mutter hat viel über die Zeit und über ihn erzählt. Die Lager, in denen er war, waren zwar auf französischem Boden, aber es waren amerikanische Lager.
AntwortenLöschen...und die hier wiedergegebenen Berichte hat er schriftlich hinterlassen. Wie Gabriele schon schrieb, hatte er wohl vor, einen Artikel zu schreiben - vielleicht ist er auch einmal veröffentlicht worden.
AntwortenLöschenVielen Dank, wir freuen uns über das Interesse!
Bitte diese Dokumente unbedingt festhalten, bewahren und weitergeben! Sie sind von unschätzbarem Wert.(Das sage ich als Historiker!)
AntwortenLöschenLieber Severus, das werden wir. Das ist natürlich toll von einem Historiker so was zu hören. Wir werden es meinen Tanten, den beiden noch lebenden Töchtern von Eugen Antoni sagen. Das freut sie ganz bestimmt!
LöschenHistoriker - Hysteriker - egal! Aber so was darf nicht verloren gehen, echt jetzt!
LöschenLiebe Grüße!
Die Jungfüchse sind wieder da, Gott sei Dank!
Da alle acht Enkel sowie mindestens eine Urenkelin von allen Dokumenten Kopien haben, sind wir, glaube ich, auf der sicheren Seite ...:))
AntwortenLöschenGuud - genehmichd!;-)
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