Sonntag, 3. Juni 2012

Schulgebet und Hitlergruß Teil I

An der Volksschule in Esthal entwickelte sich zwischen Mitte 1937 und November 1938 eine Auseinandersetzung zwischen dem Schulleiter, dem Pfarrer als dem Verantwortlichen für den Religionsunterricht und dem übrigen Lehrkörper, der teilweise ebenfalls das Fach Religion unterrichtete, über die "angemessene" Form des Schulgebets. Hintergrund war die konkordatswidrig nach einer gefälschten Abstimmung am 20. März 1937 erfolgte Umwandlung der katholischen Bekenntnisschulen in "Christliche Gemeinschaftsschulen" oder Schulen unter kommunaler Trägerschaft durch Gauleiter Bürckel und die Verstaatlichung von Schulen in kirchlicher Trägerschaft, also auch aller klösterlich geführten Fachschulen und Gymnasien. Mit Weisung vom 29. Dezember 1937 wurden die übrigen privaten und vor allem die klösterlichen Schulen zum Ende des Schuljahres 1937/38 geschlossen. Schulen, deren Träger sich widersetzten, wurden enteignet.*
Der nationalsozialistische Rektor der Esthaler Volksschule sah seine Rolle in dieser Mission darin, die richtige Form des Schulgebets durchzusetzen, die verlangte, dass der "Deutsche Gruß" Vorrang vor dem Gebet hatte. Offenbar stieß er in diesem Ansinnen auf Widerstand beim Pfarrer und einigen Lehrern. Leider liegen uns aus dem Nachlass unseres Großvaters nur die Schreiben, Anweisungen und Überzeugungsversuche des Schulleiters und nicht die Antworten der Adressaten vor.

1. Brief an den Pfarrer**:


                                                                                           Esthal, den 18.8.37
                      
Sehr geehrter Herr Pfarrer!

            Meine Pflicht ist es und vor allem auch mein Wunsch, ein Verhältnis des Vertrauens unter den Lehrkräften zu schaffen, oder doch anzustreben.
            Dies gilt auch für das Verhältnis Zwischen Ihnen, dem Ortspfarrer und mir. Mag es auch scheinen, als ob dem Schwierigkeiten entgegen stünden, so trifft es doch nicht zu. Denn, ist auch die Schaurichtng verschieden und anders geartet, so hindert das nicht, dass wir gerade und offen einander gegenüberstehen.
            Ich verstehe es und anerkenne es, und würdige es, wenn Sie Ihr Handeln und Ihre Amtsführung nach den Weisungen ihres Bischofs ausrichten.
            So darf ich auch umgekehrt Ihr Verstehen erwarten, wenn ich dem Staat, der Partei und dem Führer restlosen und bedingungslosen Gehorsam zu geben bereit bin. Ja, dass ich diesen Gehorsam nicht nur pflichtmässig, sondern mit innerer Bereitschaft gern und freudig gebe.
            Am besten, wir sind gerade heraus. Die Gemeinschaftsschule kann dem Deutschen Volke nur Segen bringen. Also werde ich sie entschlossen gutheissen. Warum aber deswegen einander feind sein?
            Die Heerschau, wie sie unter dem Namen Wallfahrt in Speyer vorgesehen, beabsichtigt und vorbereitet war, wird der Volksgemeinschaft Schaden bringen und die Gefahr schwerster Trennung heraufbeschwören, also werde ich sie  entschlossen ablehnen, umbekümmert um irgendwelche Rücksicht***. Warum aber deswegen einander gram sein?
            Wenn z.B. „der Pilger“**** fest seine Fensterläden schliesst, damit ja kein Strahl des Lichtes unserer neuen Zeit hereindringt, dann werde ich denk- und folgerichtig von ihm abrücken müssen, möge er mir früher nochso lange Freund gewesen sein. Warum aber deswegen . einander übel wollen?
            Wir haben den festen Glauben, dass wir für ein hohes und grosses  Ziel kämpfen. Sollte diesem Wollen die Ehrlichkeit abzusprechen sein und ihm die Achtung versagt werden können?
            Uns ist das Volk und sein Wohl Richtung und unverrückbares Ziel. Dabei haben wir die felsensichere Gewissheit, dass wir auch vor dem Schöpfer gut und recht handeln.
            Wenn Jedes den andern zu verstehen sich bemüht, dann wird das Ziel, das ich eingangs erwähnte und dessentwegen ich das Schreiben an Sie richte, wohl erreichbar sein.
            Jedenfalls lag mir viel daran, die Bemühung meinerseits nicht zu versäumen.

                                                                               Mit Deutschem Gruß


* Quelle: Die Pfalz unter dem Hakenkreuz. Gerhard Nestler und Hannes Ziegler (Hrsg.) Pfälzische Verlagsanstalt1993

** Hervorhebungen und Fehler im Original

*** Diese Andeutung bezieht sich vermutlich darauf, dass am 15. 8. 1937 das Goldene Priesterjubiläum  und der 20. Jahrestag der Bischofsweihe von Bischof Dr. Ludwig Sebastian in Speyer  mit einer großen Wallfahrt begangen werden sollte. Jedoch ließ die NSDAP an diesem Tag mehr als 40 000 SA-Männer in Speyer aufmarschieren, um dieses Fest zu verhindern. Bischof Sebastian feierte derweil im Stillen im Stift Neuburg bei Heidelberg.

**** Die Kirchenzeitung des Bistums Speyer

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