Um diesen Engel geht es:
Vergesslicher Engel, 1939 |
Eine der Kinderzeichnungen ist diese:
"Von diesem Engel ist gerade die Großmutter gestorben, bei der er sein ganzen Leben bis jetzt verbracht hat, denn seine Eltern haben ihn, als er 2 Monate alt war im Stich gelassen. Deswegen war er umso trauriger, dass sie gestorben ist. In diesem Engel gehen Gefühle herum, die man nicht so gerne erleben möchte. In diesem Moment betet er zu unserem Vater, Gott. Er hat seine Arme verschränkt, damit er sich zusammenreißen kann. Sein Lächeln ist nicht, weil er froh ist, dass sie tot ist, sondern weil er weiß, dass sie für ihn immer in seinem herzen weiterleben wird. Seine Flügel sind aufrecht, weil er weiß, sie denkt nur an ihn und sie war und ist immer stolz auf ihn, solange er keine Sünden macht, niemandem etwas antut, nicht tötet und immer betet. Sein Körper ist ebenfalls aufrecht, weil seine Oma ihm das so beigebracht hat. Trotzdem ist er traurig, aber er denkt positiv, seine Oma wird für ihn nie sterben. Julia"
Sehr tief hat mich diese Betrachtung gerade heute berührt. Vor 8 Jahren lag unsere sterbenskranke Mama - und gute liebevolle Oma meiner Tochter - im Krankenhaus. Sie war wegen starker Schmerzen im Rücken und in der Lendengegend eingeliefert worden, mehrere Osteoporose - Brüche hatte man festgestellt und sie musste tagelang streng liegen. Dann wurden eines Nachts ihre Schmerzen entsetzlich und es stellte sich heraus, dass sie einen Herzinfarkt hatte und dass ein vorangegangener Infarkt die eigentliche Ursache für ihre Beschwerden war. Ich erinnere mich - es war ein Samstag. Zunächst hatte der junge behandelnde Arzt gesagt, es müsse eine Katheder - Untersuchung gemacht werden, das könne aber an diesem Tag nicht stattfinden. Wir Töchter fürchteten aber jede Verzögerung, denn der nächste Tag war ja ein Sonntag und darauf folgte der Feiertag, der "Tag der Deutschen Einheit". Letztendlich konnten wir erreichen, dass die Untersuchung doch gemacht und die Notwendigkeit einer Herzklappen - OP festgestellt wurde. Bei aller Angst vor der Operation stimmte unsere Mutter dieser dann zu, weil sie unseren Vater möglichst "nicht alleine lassen" wollte. Und ihre größte Sorge war: "Jetzt hat er keinen schönen Geburtstag!" (Dieser war am dritten Oktober!)
Als sie in dem furchtbaren Schmerz, den so ein Infarkt wohl hervorruft, halb bewusstlos war, hatte sie eine Art Traum, den sie uns erzählte. Sie sah einen Mann in einem Mantel, der schrie und Kommandos gab. Auf seinem Bauch hatte er einen Monitor. Sie wusste, wenn die Knöpfe an diesem Monitor gedrückt werden, "dann ist es vorbei".
Später erklärten wir uns das so: Der Mann im Mantel war der Arzt. Die Kommandos betrafen die Notfall - Maßnahmen, und der Monitor war angeschlossen an all die Kabel, die ihr EKG maßen. Aber als sie uns das erzählte, schien es uns wie eine schreckliche Vision. Und auch wie eine Erinnerung, an ihre Kindheit und an die Erlebnisse im Dritten Reich.
Auch dazu habe ich einen Engel von Paul Klee gefunden.
Angelus Novus, 1920 |
Zum Angelus Novus gibt es eine Beschreibung von Walter Benjamin, Dieser Philosoph und Literaturkritiker hat in einem Text "über den Begriff der Geschichte" Folgendes dazu geschrieben:
„Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“
"Das, was wir den Fortschritt nennen, das ist dieser Sturm" ....
Da habe ich, haben wir noch viel Stoff zum Nachdenken. Danke, liebe Eltern! Ihr sorgt weiterhin dafür. Wie die kleine Julia schon sagt!
Das Buch habe ich und liebe es sehr!
AntwortenLöschenDank für diesen berührenden Beitrag.