Wie
hier berichtet, begann der Leiter der Volksschule Esthal im Sommer 1937 auf seine Lehrerschaft zunehmenden Druck auszuüben, mit dem Ziel, eine Regierungsentschließung durchzusetzen, die das Schulgebet dem "Deutschen Gruß" und somit der Verehrung des "Führers" unterordnete.
Offensichtlich stieß er in dieser Angelegenheit nicht nur auf den hartnäckigen Widerstand des örtlichen Pfarrers, der diese Anordnung, wie aus dem folgenden Text hervorgeht, schon seit 1934 boykottierte, sondern auch auf Gegenwehr bei anderen Lehren, u.a. bei
Eugen Antoni.
2. Brief an Lehrer Antoni
AM
4.9.37.
Lieber Kollege Antoni!
Die Sache
mit dem Deutschen Gruss ist, obwohl überraschend einfach, anscheinend doch
nicht völlig klar.
Mir ist die
Zungengewandtheit nicht eigen und habe die Feder lieber. Dann will ich ja auch
nicht überreden, sondern überzeugen. Ich kann mir das recht leicht machen, denn
ich brauche einfach die Sache und nur sie sprechen zu lassen.
Ich gebe
das Schreiben aus guten Gründen Dir; Du bist mein Kollege und Stellvertreter.
Also:
Der
Religionslehrer unterlässt es seit 1934, den Unterricht in entsprechender Form
zu eröffnen und zu Schliessen. Ein Vorgang, der der Öffentlichkeit nicht
entgeht und dessen Gründe zu untersuchen ich weder Anlass noch Lust habe.
Ich bemühe
mich nun, den Pfarrer zu veranlassen, dass er tue, was nicht umgangen werden
kann und darf.
Dein
Einwand, es gäbe sicher eine, wahrscheinlich aber mehr Schulen, an denen das
sogar von alten Kämpfern unterlasen wird, gibt mir weiter nichts als das eine,
dass auch der alte Kämpfer nicht richtig handelt, was doppelt verwerflich wäre.
Vor allem
wollte ich unterbinden und hatte Grund, das zu wollen, dass eine andere Seite
sich der Sache annimmt. Das ist, wie ich denke, in Ordnung.
Wie gesagt.
Ich habe dem Pfarrer Mitteilung gegeben, die in Abschrift zu Deiner Einsichtnahme
beiliegt. Fast gleichzeitig habe ich meinen Kollegen in dem (ebenfalls
beiliegenden) Schreiben gebeten, den Kindern etwa und ungefähr folgendes zu
sagen: Ihr Kinder, nach den Ferien soll es so und so gemacht werden.
Dem Pfarrer
kann es nicht unerwünscht sein, wenn ich ihm vorschlug, erst nach den Ferien
die Form zu brauchen. Denn sobald ein neuer Abschnitt beginnt, übernimmt man
unmerklich das „Neue“.
Damit ist
es zuende. Nein, es beginnt erst. Mein Schreiben ist auf einmal ganz anders
aufgefasst, obwhl es nicht misszuverstehen ist. – Die Massnahme sei
unpädagogisch. Warum soll man nicht mal eine unpädagogische Massnahme ausführen
können? – Der Schüler müsse den Lehrer grüssen und nicht umgekehrt. Das Leben
zeigt stets das Gegenteil, und viele Gründe sprechen auch dafür, dass der
Einzelne vorangeht, wenn er mit einer (Mannschaft, Gruppe oder) Klasse den
Gruss wechselt. (z.B. „Heil Arbeitskameraden“ – Heil mein Führer“) – Weiter
wird es dann als ratsam erachtet, die Kinder überhaupt nicht in meinem Sinne
anzuweisen und besser ganz davon abzusehen.
Die Sorge, was zu geschehen habe, wenn der
Pfarrer „es nicht tue“, ist unbegründet. Er wird es sicher tun. Warum denn
nicht?
Niemand
will auf den Gedanken kommen, dass „Gesagt, gemacht“ schon unzertrennliche
Geschwisterpaare sind und dass der über jeden Rat beratende Herr Rat längst in
Gottes selgem Frieden ruht.
Ich stelle
fest: Mein Schreiben stellt nichts weiter dar als die inhaltliche Wiedergabe
einer ministeriellen Bekanntmachung wie sie im A.Sch.A.1934 Seite 40/41
gefunden werden kann.
Alle
Anstände wären dann nicht an meine Adresse, sondern an das Ministerium zu
richten.
Dass ich
mit meinen Kollegen das beste Einvernehmen wünsche und anstrebe, möge aus einem
weiteren Schreiben v. 18. August 1937 an den Herrn Pfarrer (Auch Er gehört zum
Lehrkörper) hervorgehen.
Es ist mein
dringender Wunsch, dass die Worte beweisen, nachweisen, kontrollieren,
untersuchen und wie die schönen Worte alle alle heissen mögen, verschwinden.
Jeder soll
helfen, dass Jeder sich in unserm Schulhaus wohlfühlt.
Heil
Hitler!
Man kann dem Brief entnehmen, mit welchen Argumenten und Tricks Pfarrer und Lehrer versuchten, die Anweisung zu umgehen. Der Schulleiter - wie er selbst sagt kein rhetorisches Genie - wählt in seinen Briefen den leicht beleidigten und jovialen Ton des zu Unrecht Beschuldigten, der ja nur das Beste will. Sicher in vielen Fällen eine wirksame Maßnahme, die mehr Erfolg verspricht als Drohungen und harte Disziplinierung. Ich frage mich oft, wie weit der Widerstand bei mir gegangen wäre. Hätte ich für eine Frage wie die, ob der Hitlergruß Vorrang vor dem Schulgebet hat, den Mut aufgebracht, über mehrere Jahre aktiven und passiven Widerstand zu leisten?
3. Die Anweisung: