Sonntag, 17. Juni 2012

Schulgebet und Hitlergruß Teil II

Wie hier berichtet, begann der Leiter der Volksschule Esthal im Sommer 1937 auf seine Lehrerschaft zunehmenden Druck auszuüben, mit dem Ziel, eine Regierungsentschließung durchzusetzen, die das Schulgebet dem "Deutschen Gruß" und somit der Verehrung des "Führers" unterordnete.
Offensichtlich stieß er in dieser Angelegenheit nicht nur auf den hartnäckigen Widerstand des örtlichen Pfarrers, der diese Anordnung, wie aus dem folgenden Text hervorgeht, schon seit 1934 boykottierte, sondern auch auf Gegenwehr bei anderen Lehren, u.a. bei Eugen Antoni.

2. Brief an Lehrer Antoni

                                                                                             AM 4.9.37.

Lieber Kollege Antoni!


            Die Sache mit dem Deutschen Gruss ist, obwohl überraschend einfach, anscheinend doch nicht völlig klar.
            Mir ist die Zungengewandtheit nicht eigen und habe die Feder lieber. Dann will ich ja auch nicht überreden, sondern überzeugen. Ich kann mir das recht leicht machen, denn ich brauche einfach die Sache und nur sie sprechen zu lassen.
            Ich gebe das Schreiben aus guten Gründen Dir; Du bist mein Kollege und Stellvertreter. Also:
            Der Religionslehrer unterlässt es seit 1934, den Unterricht in entsprechender Form zu eröffnen und zu Schliessen. Ein Vorgang, der der Öffentlichkeit nicht entgeht und dessen Gründe zu untersuchen ich weder Anlass noch Lust habe.
            Ich bemühe mich nun, den Pfarrer zu veranlassen, dass er tue, was nicht umgangen werden kann und darf.
            Dein Einwand, es gäbe sicher eine, wahrscheinlich aber mehr Schulen, an denen das sogar von alten Kämpfern unterlasen wird, gibt mir weiter nichts als das eine, dass auch der alte Kämpfer nicht richtig handelt, was doppelt verwerflich wäre.
            Vor allem wollte ich unterbinden und hatte Grund, das zu wollen, dass eine andere Seite sich der Sache annimmt. Das ist, wie ich denke, in Ordnung.
            Wie gesagt. Ich habe dem Pfarrer Mitteilung gegeben, die in Abschrift zu Deiner Einsichtnahme beiliegt. Fast gleichzeitig habe ich meinen Kollegen in dem (ebenfalls beiliegenden) Schreiben gebeten, den Kindern etwa und ungefähr folgendes zu sagen: Ihr Kinder, nach den Ferien soll es so und so gemacht werden.
            Dem Pfarrer kann es nicht unerwünscht sein, wenn ich ihm vorschlug, erst nach den Ferien die Form zu brauchen. Denn sobald ein neuer Abschnitt beginnt, übernimmt man unmerklich das „Neue“.
            Damit ist es zuende. Nein, es beginnt erst. Mein Schreiben ist auf einmal ganz anders aufgefasst, obwhl es nicht misszuverstehen ist. – Die Massnahme sei unpädagogisch. Warum soll man nicht mal eine unpädagogische Massnahme ausführen können? – Der Schüler müsse den Lehrer grüssen und nicht umgekehrt. Das Leben zeigt stets das Gegenteil, und viele Gründe sprechen auch dafür, dass der Einzelne vorangeht, wenn er mit einer (Mannschaft, Gruppe oder) Klasse den Gruss wechselt. (z.B. „Heil Arbeitskameraden“ – Heil mein Führer“) – Weiter wird es dann als ratsam erachtet, die Kinder überhaupt nicht in meinem Sinne anzuweisen und besser ganz davon abzusehen.
            Die  Sorge, was zu geschehen habe, wenn der Pfarrer „es nicht tue“, ist unbegründet. Er wird es sicher tun. Warum denn nicht?
            Niemand will auf den Gedanken kommen, dass „Gesagt, gemacht“ schon unzertrennliche Geschwisterpaare sind und dass der über jeden Rat beratende Herr Rat längst in Gottes selgem Frieden ruht.
            Ich stelle fest: Mein Schreiben stellt nichts weiter dar als die inhaltliche Wiedergabe einer ministeriellen Bekanntmachung wie sie im A.Sch.A.1934 Seite 40/41 gefunden werden kann.
            Alle Anstände wären dann nicht an meine Adresse, sondern an das Ministerium zu richten.
            Dass ich mit meinen Kollegen das beste Einvernehmen wünsche und anstrebe, möge aus einem weiteren Schreiben v. 18. August 1937 an den Herrn Pfarrer (Auch Er gehört zum Lehrkörper) hervorgehen.
            Es ist mein dringender Wunsch, dass die Worte beweisen, nachweisen, kontrollieren, untersuchen und wie die schönen Worte alle alle heissen mögen, verschwinden.
            Jeder soll helfen, dass Jeder sich in unserm Schulhaus wohlfühlt.

                                                          Heil Hitler!

Man kann  dem Brief  entnehmen, mit welchen Argumenten und Tricks Pfarrer und Lehrer versuchten, die Anweisung zu umgehen. Der Schulleiter - wie er selbst sagt kein rhetorisches Genie -  wählt in seinen Briefen den leicht beleidigten und jovialen Ton des zu Unrecht Beschuldigten, der ja nur das Beste will.  Sicher in vielen Fällen eine wirksame Maßnahme, die mehr Erfolg verspricht als Drohungen und harte Disziplinierung. Ich frage mich oft, wie weit der Widerstand bei mir gegangen wäre. Hätte ich für eine Frage wie die, ob der Hitlergruß Vorrang vor dem Schulgebet hat, den Mut aufgebracht, über mehrere Jahre aktiven und passiven Widerstand zu leisten?


3. Die Anweisung:




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